Wieder eins werden mit der Maschine

MFH Sicherheitstraining 2022

Beim traditionellen Sicherheitstraining der Motorradfreunde Harsum üben Mitglieder und Gäste auf dem Gelände der Zuckerfrabrik in Clauen Slalom, Abbiegen, Schritt fahren - und haben Spaß.

"Ich hab es geschafft!" Petra strahlt. Nach mehreren Versuchen ist sie mit ihrer Suzuki DL 650 aus dem Stand im 90-Grad-Winkel abgebogen, ohne eines der Hütchen, mit denen die Fahrlehrer die Bahn markiert haben, umzufahren. Übung macht den Meister und die Meisterin. Und das ist gerade nach der langen Winterpause wichtig. "Solche Übungen sind absolut sinnvoll, gerade zum Saisonstart", findet Rembert. Das Sicherheitstraining ist bei den Motorradfreunden Harsum (MFH) Tradition. "Am Ende des Tages fährt jeder anders vom Hof als er gekommen ist", weiß MFH-Gründungsmitglied Michael "Michi" Vahrenholt aus Erfahrung. "Das ist anstrengend und erfordert volle Konzentration. Und am Abend bist Du kaputt", weiß Petra. Aber es lohnt sich.

Die Idee, den Mitgliedern mit professioneller Hilfe nach der langen Winterpause wieder mehr Sicherheit auf dem Bike zu geben, hatten Vahrenholt und Nick Burghardt schon bei der Gründung der MFH 2005. Drei Jahre später ging's das erste Mal auf die Übungspiste, erst am Hildesheimer Flughafen, dann auf einem Parkplatz in Alfeld, jetzt auf dem Gelände von Nordzucker in Clauen. Nick bringt das nötige pädagogische Rüstzeug mit: Er war sieben Jahre lang als Fahrlehrer bei der Bundeswehr für die Ausbildung zuständig. Bisher hat er das Sicherheitstraining für die MFH allein geleitet, dieses Jahr steht ihm Markus Buhr zur Seite. Der war 25 Jahre Fahrlehrer, bevor er als Fahrdienstleiter zur Deutschen Bundesbahn wechselte.

Zum zweiten Mal konnte Nick - heute bei der Berufsfeuerwehr in Hannover - das riesige Gelände der Zuckerfabrik in Clauen für einen Sonntag "mieten". Das mehr als vier Fußballfelder große Areal bietet ausreichend Platz, um kniffelige Übungen wie Vollbremsung, Schritt oder langsam und schnell Slalom fahren mit dem nötigen Abstand aufzubauen. Neun MFH-Mitglieder und drei Gäste konnten Nick und Markus bei strahlendem Sonnenschein in Clauen begrüßen. Fynn ist der jüngste im Bund. "Ich fahre gern schnell", gesteht der 22-Jährige. Lang gemacht hat er sich bei einem Sicherheitstraining des ADAC, als bei seiner 25 Jahre alten Thunderbird Sport nach einer Vollbremsung die Reifen blockierten. Auch sein Cousin Till hat in einer Kurve schon mal Kontakt mit dem Asphalt gehabt und sich Bänder gerissen: "Da hilft Sicherheitstraining, das Selbstvertrauen zurückzugewinnen", findet er. Fynn ergänzt: "Das sollte zum Saisonstart Pflicht sein."

Nach den Regularien wie dem Einsammeln des Obulus' für "Miete" und Verpflegung von 15 Euro (20 für Gäste) erklärt Nick den Parcours mit den breiten und schmalen Gassen, dem Stop and Go, dem Kreis fahren. "Jeder fährt so, wie er es sich zutraut. Und wenn das 20 statt 50 ist, ist das auch okay", betont er das Thema Sicherheit. Und: "Welcher Gang und welche Geschwindigkeit, das hängt vom Motorrad ab, ob Shopper, Enduro oder Wuthocker." Bei allen Übungen handelt es sich um Grundfahraufgaben, die Fahrschüler bei der Prüfung beherrschen müssen. "Ich müsste sicher hier ein paar Führerscheine einsammeln", ist Markus überzeugt, dass so manch einer der Biker nicht mehr alles beherrscht. Vor dem Sicherheitstraining.

"Geradeaus und schnell fahren kann jeder", sagt Petra. Aber 200 Kilo im Schritttempo aufrecht zu halten, das macht man nicht jeden Tag. Aber Markus und Nick wären nicht Fahrlehrer, wenn sie nicht auch Tipps und Tricks auf Lager hätten. "Die Kupplung schleifen lassen und mit der Fußbremse stabilisieren", erklärt Markus den Wackelkandidaten bei der Schrittempo-Übung. Und trommelt kurz darauf die beiden Gruppen zusammen, weil er beobachtet hat, dass so manch einer/eine zwei Finger am Bremshebel hat und auf der Raste mit der Ferse steht. "Die Hände gehören an die Griffe, und auf der Raste steht man mit den Ballen", beschreibt er die Gefahr von abgetrennten Fingern und gebrochenen Füßen. "Die schlimmsten Unfälle passieren an der Ampel, wenn man umkippt." Während Markus im ersten Durchgang den instabilen Bereich betreut, ist Nick für die schnellen Übungen wie Slalom fahren oder Ausweichen ohne und mit Abbremsen zuständig. "Notwendig, wenn ein Ball vor dir auf die Straße rollt oder ein Reh plötzlich aus dem Wald läuft." Zur Übung, bei der die Fahrenden ungebremst mit (möglichst) 50 km/h den orangefarbenen Hütchen ausweichen sollen, erklärt NIck: "Mit gezogener Kupplung durch die Hindernisse. Wenn Du einkuppelst, richtet sich die Maschine ruckartig auf."

Michi auf seiner Triumph Tiger Explorer XC sitzt zum ersten Mal in diesem Jahr auf dem Bock und hat Respekt vor dieser Übung: "Das macht man höchstens einmal im Jahr. 50 erscheint da irre schnell..." Auch Till findet das "crazy ... so ohne bremsen". Doch zur Mittagspause unterm eigens aufgestellten, Schatten spendenden Pavillon sind alle schon einen Schritt weiter: "Heute morgen war ich noch steif wie ein Brett. Jetzt bin ich schon viel beweglicher in den Hüften", freut sich Hermann ebenfalls auf einer Explorer XC unterwegs. Grund ist das schnelle Slalomfahren, bei dem Gewichtsverlagerung - "mit dem Hintern nach außen" - für mehr Druck auf die Maschine sorgt. Und Petra ist stolz, dass es ihr sogar einmal gelungen ist, den Federball langsam und einhändig fahrend aus einem Pylon zu fischen und auf einem anderen wieder abzulegen.

Nach dem Grillen im Garten von Markus im nahe gelegenen Algermissen geht's wieder auf die Beton-Piste. Unter anderem ist Vollbremsung angesagt. "Ich musste mich echt überwinden", gesteht Petra. "Da denkste: Bleib ich oben? Kann ja auch mal kippen." Doch sie kippt nicht. Achim hat Probleme beim Kreis (Durchmesser neun Meter) fahren: "Ich musste mich überwinden, um nicht langsamer zu werden und mich wirklich reinzulegen." Am meisten Spaß gemacht hat ihm und seiner Suzi 850 VX das rasante Slamlomfahren.

Auch Luca ist begeistert nach insgesamt fünf Stunden Training: "Das bringt was: wieder Bremspunkte finden, wieder eins werden mit der Maschine." Rembert (R nineT Urban G/S): "Bei jeder Übung war es am Anfang schwierig, Aber wenn man sie zehn, 15 Mal gemacht hat, dann wird's eindeutig besser." Stefan (BMW GS 1200 ) resümiert: "Super Stimmung. super Organisation. Jederzeit wieder!"

Fazit:
Es war ein erfolgreicher aber auch anstrengender Tag, der allen mehr Sicherheit und ein gutes Gefühl für die laufende Saison gibt. Auch im nächsten Jahr wird es wieder ein gut besuchtes MFH Sicherheitstraining geben.

Martina Prante