Rund um Rund durchs Land der Puppenstuben

Vier-Tage-Tour der Motorradfreunde Harsum führt diesmal nach Hesborn im Hochsauerland / Von wilden Wespen, frechen Wirtinnen und jeder Menge Kurven.

Hochsauerland. Die erste Silbe dieser Ortsbezeichnung macht deutlich, wo wir uns befinden: in den Bergen. Naja, mit maximal 843 Metern über Normal Null sind die übersichtlich. Aber für Motorradfahrer bieten die Höhenzüge auch mitten in Deutschland das, was ihr Bikerherz begehrt. Kurven. Und zwar jede Menge. Also ging es bei der diesjährigen 4-Tage-Tour der Motorradfreunde Harsum (MFH) in die Region zwischen Paderborn und Marburg, gut 200 Kilometer Strecke von Hildesheim aus. Die natürlich ein echter Biker nicht nimmt, also die gerade Strecke. Davon später. Fazit nach insgesamt 725 Kilometern und 13 Stunden auf dem Bock: viel Spaß, noch mehr Kurven und vor allem beste Gesellschaft.

Seit zehn Jahren organisieren die MFH in den Sommerferien ihre 4-Tage-Tour. Am Anfang waren es nur drei Tage, erinnert sich Robert. "Wir sind Freitag bei schönstem Wetter nach Malchow in Meckpomm gefahren, am Samstag war Dauerregen, und Sonntag ging es bei schönstem Wetter zurück." Also ist seitdem Start am Donnerstag. Ziele waren in den vergangenen Jahren unter anderem der Thüringer Wald, die Sächsische Schweiz, die Rhön: "Was an einem Tag erreichbar ist und Spaß garantiert", formuliert Sonja.

Das Hotel "Haus zur Sonne" in Hesborn / Hallenberg hatte Michael "Michi"  - einer der Gründer der MFH - schon vor längerem über www.bikerbetten.de gefunden. "Diese Hotels haben einen großen Parkplatz, Garage, einen Trockenraum und auch im Zimmer mehr Platz, falls man die nasse Kombi mal trocknen muss", erklärt der Fahrer einer Triumpf Tiger ???. Auch www.tourenfahrer.de habe den MFH schon gute Unterkünfte beschert, ergänzt Robert.

Allerdings hatte Michi das hohe Ziel in Nordrhein-Westfalen wegen Corona aus den Augen verloren. Robert nahm es dieses Jahr wieder ins Visier und schlug mehrere Termine vor. Letztlich entschieden sich neun Harsumer und Adlumer für das Wochenende Ende Juli. "Wir waren auch mal nur fünf, aber auch schon mal 14", beschreibt Michi den Zuspruch der BikerInnen.

Die Anreiseroute organisierte diesmal Rembert, der erst seit 5 Jahren bei den MFH mitfährt. Er entlockte seinem Garmin eine ungewöhnlich abwechslungsreiche Tour. Und auch für die Ausarbeitung der beiden Tagestouren im Sorbetal und rund um Hallenberg hatte Rembert den Hut auf und fuhr der Gruppe mit seiner BMW R nineT Urban G/S voran. "Das hat er ganz hervorragend gemacht. Und er hat sich auch nie verfahren", lobt Volker. "Das war nicht ich, das war das Navi", wiederholt Rembert bescheiden bei jedem Lob. "Straßen ohne Mittelstreifen, wenig befahren und unglaublich viele Kurven", ist auch Michi vollends zufrieden mit den ausgewählten Strecken.

Nur eines ließ so manche/n der Nachfahrenden die Stirn runzeln: Rembert hat unglaubliches Sitzfleisch. Kein Wunder, dass er im kommenden Jahr drei Monate lang rund 16 000 Kilometer der Seidenstraße abfahren will. Und auch wenn die Biker und Bikerinnen bei der Hinfahrt nur 230 Kilometer Strecke zu bewältigen hatten, so wünschten sie sich nach dem idyllischen Stopp bei Polle an der Weser anderthalb Stunden später doch wieder mal einen Halt. Für eine Toilette, ein Eis oder schlicht zur Entspannung der Sitzfläche. Einer traute sich schließlich vor: In Adorf schoss Michi plötzlich von seinem Platz als letzter Fahrer full speed wild blinkend an allen vorbei. Endlich, dachte sich so manch einer.

Doch dass Michi mit verzerrtem Gesicht vom Bock sprang und den Helm wild vom Kopf riss, schien doch etwas übertrieben. Doch dann die Erklärung: "Mich hat eine Wespe gestochen", rief er und griff sich in den Nacken. "Sie ist gerade rausgefallen", konnte Rembert bestätigen. In all der Aufregung kam aus dem Hintergrund eine fremde Stimme: "Ist was passiert, ich bin Sani?" Der gute Mann, der beim Bund Sanitäter gewesen war und selber Motorrad fährt, wohnte gegenüber, hatte die wilde Aktion beobachtet und war sofort losgestürmt. Ein medizinisches Gel und eine Einladung zum Kaffee später kehrte man/frau in ein idyllisches kleines Straßencafé ein, um dem Wespenstich Zeit zum Abschwellen zu geben.

Noch am Abend bein Einlauf-Bier auf der Terrasse des großzügig angelegten Hotels in Hesborn sorgte der Zwischenfall für heitere Stimmung. Die wurde auch durch  die ausnehmend gute Behandlung durch das Team des "Haus zur Sonne" bestärkt. Allen voran Simone, die nicht nur mit Lichtgeschwindigkeit die Getränke zwischen Pfefferminztee, Radler und verschiedensten Sorten Bier anschleppte. Sondern so ganz nebenbei einen regionalen Schnaps kredenzte - "Ich will endlich auch mal was kippen" - und so manch lustige Anekdote zu bieten hatte.

In nichts nach stand ihr Seniorchefin Marion, die mit  losem Mundwerk über ihren Mann schimpfte, der immer mal wieder angeblich für drei Tage zur Jagd abhaut und dann mit einem Hasen mit Preisschild im Ohr wiederkommt. Zum anderen animierte die 68-Jährige am dritten Abend in Zylinder und Trachtenjacke die Motorradfreunde mit Steirischem Harmonium (eine Art Akkordeon) und Mundharmonika zum Singen. Das reichte von "Wir lagen vor Madagaskar" bis zu "Es gibt kein Bier auf Hawaii". Bombenstimmung.

Für die kulinarischen Aspekte auf der Sonnenseite des Winterbergs waren besagter Jäger und die Söhne des Hauses zuständig. Und das Essen war eindeutig auf hungrige Motorradfahrermägen ausgerichtet: deftige Suppen, Fleisch in allen Variationen, ein Grillabend und Karamell-Pudding. Salate lieferten die Anstandshappen in Sachen Gesundheit.

Nach dem Frühstück ging es für die Motorradfreunde jeden Tag pünktlich um 10 Uhr los. Martina wählte die eigenen Beine, um die Berge zu erkunden und erlebte magische Blätter, monströse Ameisen und verwunsche Waldpfade. Andere Wanderer auf ihren Wegen zum Bollerberg und nach Medelon allerdings traf sie nicht. Der Rest der Truppe gab mit den Hacken Gas, eroberte die Landschaft mit Triumph, BMW und Suzuki und befand sich dabei in bester Gesellschaft anderer motorisierter Zweiräder. Rasen allerdings war nicht das Ziel, sondern genießen. "Schöne Berge, eine tolle Landschaft. Idyllische und gepflegte Dörfer, wie in einer Puppenstube", beschreibt Sonja die Umgebung. "Wir haben das total genossen."

Und auch Rembert kannte nach dem ersten Tag die Vorlieben seiner Mitfahrenden und so gab es zwischendurch Kuchen, Eis und am zweiten Tag sogar den Besuch der Galerie in der Waldemai beim Ehepaar Klute. Ein 20 000 Quadratmeter großes Parkgelände bei Schmallenberg, in dem sich drei Meter hohe Mückenskulpturen mit golden polierten Augen, kinetische Brunnen, gigantische eiserne Totenwächter und wilde Kühe zwischen ein plätscherndes Bächlein, eine Seenlandschaft samt Brücke und einen Wald schmiegen. Die Männer und Frauen in ihren Motorradkombis ließen sich staunend in der früheren Schmiede und Glashütte samt Museum herumführen (www.klute-waldemai.de).

Nach vier Tagen Spaß, Spiel und Spannung freuten sich Sonntagabend alle, dass sie heil, voller Energie und mit vielen neuen Eindrücken wieder zu Hause angekommen waren. Und nach der 4-Tage-Tour ist vor der 4-Tage-Tour. "Wir sind dran", versprechen Michi und Robert für 2023.   
Martina Prante