Am Rennsteig lässt sich gut Kurven fahren
Die Motorradfreunde Harsum gründen eine neue Abteilung und fahren auf der Viertagetour mit PS und Ampère durch den Thüringer Wald.
Schon die Namen verraten, was die Herzen der Motorradfreunde Harsum (MFH) höher schlagen lässt: Im vergangenen Jahr war das Hochsauerland Ziel der jährlichen Viertagetour des Bikerclubs, diesmal ist es der Rennsteig im Thüringer Wald: Hohe Lagen bieten ideale Straßen, um sich - wenn auch ohne Rennen - geschmeidig in die Kurven zu legen.
Premiere dieses Jahr: Die MFH haben eine neue Abteilung gegründet (Volker dazu sogar ein Logo gebastelt, das in Serie gehen wird), um den E-Bikern eine Heimat zu bieten und sie trotzdem nicht aus den Augen zu verlieren. Denn Sinn dieser Kurzreisen ist nicht nur, in der Gruppe gemeinsam elegant und zügig Kilometer zu schrubben, sondern auch, Spaß zu haben. Und das hat dieses Mal wieder perfekt funktioniert, wie nicht nur "Michi" beteuert: "Wir freuen uns jetzt schon aufs nächste Jahr."
Geplant wurde die Reise von Michi schon im vergangenen Jahr. Denn mit einer anderen Gruppe hatten er und seine Frau Heike den Gasthof Rennsteig in Frauenwald und die großartigen "Rennstrecken" auf 750 Meter Höhe schon kennen gelernt. Und in Nullkommanix waren alle Zimmer und Ferienwohnungen von den BikerInnen aus Harsum, Sorsum, Hildesheim und Algermissen in der "Hütte" ausgebucht. Denn bei einem Stammtisch im Herbst kam die Idee auf, die MFH-Mitglieder, die sich aus Altersgründen oder Krankheit von ihrem hochmotorisierten Gefährt verabschieden wollten, doch noch im Team zu behalten. Warum nicht Fahrradfahren, wenn die anderen Benzin verdampfen?! "Soviel Toleranz gibt es nur bei uns", ist Moni überzeugt.
Gesagt, gemeistert: Antje stellt ihren VW-Bus zur Verfügung, Achim seinen Anhänger. Und schwupps sind die E-Bikes verladen. Letztlich machen sich neun MotorradfahrerInnen und neun FahrradfahrerInnen auf ins 250 Kilometer entfernte Frauenwald. Die mit den vier Rädern brauchen drei Stunden, die mit den zwei Rädern acht. Was allerdings weniger daran liegt, dass die Herren und Damen kein Gas geben, sondern an der Tour mitsamt drei ausgiebigen Pausen, die Rembert und Jürgen geplant haben.
Rembert ist gerade von seiner zehnwöchigen Tour in Richtung Seidenstraße zurückgekommen. 13000 Kilometer hat er auf seiner BMW absolviert und faszinierende Landschaften und Menschen kennengelernt. Doch genug hat er trotzdem nicht vom Motorradfahren. Und er hat aus dem Murren der Freunde im vergangenen Jahr gelernt: Da bewies er nämlich Sitzfleisch und hatte zu wenig Pausen eingeplant.
Und mit ausreichend Pausen soll es an den beiden Fahrtagen im Thüringer Wald weiter gehen. Nach einem ausgiebigen Ankommensabend mit Schweinebraten, Knödeln und Kraut und einem hochprozentigen "Hustensaft" nach hauseigenem Rezept von Wirt Thomas sitzen am Freitagmorgen alle erwartungsfroh um den Frühstückstisch. Doch draußen regnet es. Und die Wetterapps sagen alles an, was überhaupt denkbar ist an Wetterkapriolen. Doch wer die Harsumer Truppe kennt, der weiß, dass die sich von Regen nicht schrecken lässt. Und der wiederum sieht dann keinen Sinn mehr darin, die Straße zu benetzen. Also stellt er die Tropfen mit dem Besteigen des Sattels ein.
Für die BikerInnen hat Rembert eine 240-Kilometer-Tour in Richtung Süden geplant, bei der Schleusingen, Einöd, Holzhausen und Einsiedel auf der Strecke liegen. Und natürlich Kuchen, Eis und Burger. Die FahradfahrerInnen radeln in Richtung Stausee: immer bergab - und später lange bergauf. Wobei sich die unterschiedliche Qualität der E-Bikes bemerkbar macht. Manch eine muss schieben. Die anderen warten geduldig.
Am Abend hat die Rennsteighütte geschlossen, MFH werden ins nahe gelegene Steakhaus geschickt und erleben Lamm, Schweinefilet und Rumpsteak aus dem Kamin, auf den Punkt gebratene Fischfilets und Wirsingrouladen. Der Abend endet in einem der Wohnzimmer der geräumigen Ferienwohnungen, in der Wirt Thomas vorsorglich den Kühlschrank mit Flüssigkeiten ausgestattet hat. Für Chips und Weingummi sorgen die Freunde selber.
Am nächsten Abend wird der 51-jährige Wirt, der die Rennsteighütte seit 14 Jahren betreibt, November und März in Sizilien verbringt und dort unter amderem den Limoncello selber herstellt, den er kostenlos am Abend ausschenkt, im Freien grillen. Dafür steht er vormittags mit Kuhschürze in seiner Küche und schnibbelt Salate und Grillgemüse und holt Fleisch vom Metzger seines Vertrauens.
Doch bevor die Gäste der Rennsteighütte bei schönstem Sonnenschein im Garten schlemmen dürfen, sind sie tagsüber wieder unterwegs. Martina trifft Rehe und Schmetterlinge im Wald und wagt sich auf unbefestigen Wegen ins wunderschön bewaldete Nirgendwo, die Fahrradfahrer radeln bergab/bergauf nach Illmenau zum Eis essen und die Biker machen sich diesmal in Richtung Südwesten auf, bewundern Sprungschanzen in Oberhof und dürfen an einem Biathlonwettbewerb teilnehmen. Heike und Petra wagen sich sogar ans Luftgewehr und treffen vier beziehungsweise fünf Mal. Hut ab.
Alle trudeln an diesem Samstag zu unterschiedlichen Zeiten wieder ein: die einen machen dann noch ein Nickerchen (immerhin ist Kurzurlaub angesagt), die anderen gehen Kuchen essen und die dritten drehen noch ein paar Runden. "Ich hab noch nie eine so homogen fahrende und professionelle Gruppe erlebt", zeigt sich Neuzugang Jürgen begeistert. Und auch Gattin Karen ist mit ihrem E-Bike gut bei den Freunden angekommen. Zurück fährt die Hälfte wieder mit dem Auto, die andere mit dem Moped. Es darf geraten werden, wem nach 1000 Kilometern in vier Tagen der verlängerte Rücken mehr weh tut...
Verfasserin Martina Prante